Ist Kernkraft nachhaltig?

Einschätzungen des PRIME VALUES Ethik-Komitees

Versprechen der modernen Kerntechnologie

Die Europäische Kommission hat die Kernspaltungstechnologie als nachhaltig eingestuft. Ist das mehr als eine «dreiste» Klassifizierung? Genau dieser Frage ist das Ethik-Komitee der PRIME VALUES Fonds im November 2021 nachgegangen. Der Nuklearphysiker Prof. Andreas Pautz von der ETH Lausanne ist unserer Einladung gefolgt und hat klar gemacht, dass das Thema «Kernkraft und Nachhaltigkeit» durchaus bedenkenswert ist.

Um das Ergebnis der Diskussion vorwegzunehmen: Arete Ethik Invest AG wird weiterhin nicht in Hersteller und Betreiber von Kernspaltungsanlagen investieren. Zu gross sind die Unsicherheiten, die nach den «grössten anzunehmenden Unfällen» (GAU) von Reaktoren der Generation II überdeutlich sind. Zudem stehen die Erfahrungen mit den neuen Reaktoren (Typ III oder IV) noch ganz am Anfang. Die neuen Reaktoren des Typs IV sind viel sicherer als jene der ersten Generationen. Abfall entstehe in sehr viel geringerem Ausmass und v.a. seien diese Reaktoren in der Lage, Abfälle wieder zu verwerten. Dies rückt die Technologie in die Nähe der Kreislaufwirtschaft, was heute als anzustrebender Aspekt nachhaltiger Wirtschaftsweise gesehen wird.

Die Europäische Kommission hat gute Argumente auf ihrer Seite. Sie definiert die Kernspaltung als Überbrückungstechnologie. Mit erneuerbarer Energie allein ist die Grundlast der Stromversorgungsinfrastruktur allerdings nicht zu gewährleisten. Wie also soll die Grundlast sichergestellt werden?

Versorgungssicherheit hat ethische Relevanz

In Europa scheint es zu einer Konkurrenz unterschiedlicher Stromversorgungssysteme zu kommen. Die einen werden wohl zur Gewährleistung der Grundlast neue Gas-Kombi-Kraftwerke einsetzen. Das hat den Nachteil, dass Klimaneutralität weniger schnell erreicht wird. Länder wie Frankreich, Finnland und Holland nutzen die neue Nukleartechnologie. Das erhöht die Chancen, Klimaneutralität schneller zu erreichen, ist aber mit den besagten Risiken der Kernspaltung belastet. Versorgungssicherheit hat nicht nur politische, sondern auch ethische Relevanz.

Im Rahmen der Debatte während der Sitzung im November hat sich das Ethik-Komitee entschieden für den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgesprochen, da dieses Potential noch lange nicht erschöpft ist.

In der Diskussion wurde klar, dass eine Investitionsempfehlung zugunsten der neuen Nuklearreaktoren angesichts der noch nicht vorhandenen Erfahrungen aus ethischer Perspektive verfrüht wäre.

Die neue Kernspaltungstechnologie verdient es, wie alle anderen Formen der Energiegewinnung, im Sinne der Versorgungssicherheit fair beurteilt zu werden.

Und wo «Denkverbote» im Wege stehen, sind diese kritisch zu hinterfragen. Das gehört genuin zu den Aufgaben der Ethik.

Den Vortrag des Nuklearphysikers Prof. Andreas Pautz (Eidg. Technische Hochschule Lausanne / Paul Scherrer Institut) dürfen wir Ihnen hier als Videomitschnitt zur Verfügung stellen. Erfahren Sie Hintergrundinformationen aus Expertensicht zu den Themen:
– Historische Entwicklung Kernreaktoren – Generationen
– Schwere Reaktorunfälle
– Entwicklung Kernkraft weltweit – neue Anlagen
– Was spricht für die Kernkraft?
– Grundsätzliche Schwächen der Kernkraft
– KKW der Generation-III – bessere Sicherheitskonzepte
– Laufzeitenverlängerungen und kleine modulare Reaktoren
– Endlagerung und Kostenaspekt
– Neue Reaktorkonzepte – die Idee der Kreislaufwirtschaft
– Kernenergie – quo vadis?

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